Aus der Nachbarschaft (Nr. 48) |
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Sind Sie zugezogen, oder ist Ihr Nachbar zugezogen? Und haben Sie Ihren Nachbarn schon gefragt, wo er herkommt was er macht? Das Heidekraut-Journal hat diesmal Ihren Nachbarn befragt, einfach so.
Angesprochen
haben wir Bernd Kummarnitzky
HK-J: Seit wann leben Sie hier in Wandlitz?
Bernd Kummarnitzky:
Meinen Erstkontakt mit Wandlitz hatte ich im Kinderferienlager 1953 bei
einem Ausflug nach Wandlitz. Gebaut und nach Wandlitz hergezogen bin ich
mit meiner Ehefrau Doris 1993.
Das sind 40 Lebensjahre dazwischen und was hat Sie nach Wandlitz
gezogen?
Wir haben ein ruhiges Grundstück gesucht, wir wollten den Dorfcharakter
aber auch die Kaufhalle und den Arzt im Dorf. Seitdem wir hergezogen
sind hat sich viel verändert. Als wir hier ankamen und mangels
Geldautomaten uns das Geld ausging, da konnten wir auch als Zugezogene
noch im „Dicken Kurt“ anschreiben lassen. Jetzt ist der „Dicke Kurt“
geschlossen. Auch gab es nur einen öffentlichen Fernsprecher im alten
Dorf, jetzt gibt es vier Handy´s pro Familie. Es gab keinen Töppersberg,
aber viele Rehe und einfach sehr viel Ruhe. Und ich glaube, wenn ich
heute zu laut mit meinem Akkordeon spiele, regt sich keiner mehr auf, es
ist anonymer geworden.
Was war ihr Erster und zugleich tiefster Eindruck von Wandlitz?
Ganz ehrlich? Wir haben tiefgebaut (lacht), eine Tiefgarage und mussten
beim Bauen feststellen, dass unser absolut ruhig gelegenes Grundstück in
den Vorjahren als Müllhalde genutzt wurde, massenweise haben wir den
niemals verrottenden Krempel abfahren müssen, und auch heute finden wir
noch manchmal Schätze.
Was machen Sie heute in Wandlitz?
Ich bin seit mehreren Jahren Rentner, bin ein echter Oldtimer. Ich
pflege meine beiden bald historischen Autos und bin aktiv mit meinem
Motorrad unterwegs, man hört es, wenn ich gehe und komme. So wie ich
unser Haus alleine gebaut habe, beschraube ich auch die Autos und das
Trial-Gelände-Motorrad alleine mit ständigen sukzessiven Veränderungen
und Verbesserungen. Und auch heute treffen wir uns mit unseren Maschinen
bei Classic Geländerennen bzw. ständig im Club Thunder Iron, das letzte
Mal 2012 beim Deutschen Meisterschaftslauf in Burg bei Magdeburg.
Das wirft bei mir viele neue Fragen auf, es scheint der Motorsport
spielt in Ihrem gesamten Leben eine wichtige Rolle?
Das stimmt. Nicht bei allen Motorsportarten geht es um Geschwindigkeit.
Bester Beweis ist der Motorrad-Trialsport. Er ist ein
Geschicklichkeitswettbewerb für Motorräder im Gelände, bei dem
Schwierigkeiten wie Steine, Wurzeln oder Felsabsätze fahrend überwunden
werden müssen. Im Vordergrund steht die Motorradbeherrschung.
Trialfahrer fahren meist sehr langsam, manövrieren zentimetergenau mit
Vorder- und Hinterrad. Der Gasgriff wird sehr beherrscht eingesetzt, um
das Vorderrad mit einem gezielten Gasstoß über das Hindernis zu
befördern. Körperbeherrschung, Balancegefühl, Konzentration, Kraft,
Ausdauer und Mut werden gleichermaßen gefordert und immer wieder
gefördert.
Das klingt auch nach Leidenschaft?
Ja, 1958 meine erste Simson SR2 und dann 1960 bereits die ersten Titel
bei Dynamo. Es gab viele Rennen, viel Herzklopfen bis zum doppelten
Schädelbasisbruch bei der Weltmeisterschaft 1964.
Und wie gestaltete sich Ihr Berufsleben?
Ich war Projekt-Ingenieur im Turbinen und Maschinenbau und war Jahre
lang unterwegs in Indien, Afrika und Asien. So gab es nicht nur Ost und
West, es gab die vielfältigen Kulturen und Umgangsformen.
Da stellt sich mir gleich die Frage nach der Familie, das Berufsleben in
weiter Ferne, Motorsport? Wo war hier die Familie?
Das war mit Sicherheit mein längster und kompliziertester Weg. Ein
Lebensweg mit großer Trennung.
Das klingt kompliziert, aber bitte fangen Sie einfach von vorne an. Wann
und wo haben Sie Ihre Frau Doris kennengelernt?
Das war 1970 bei der Gasversorgung Berlin, ich war junger Lehrausbilder
und da haben wir uns kennengelernt. 1974 habe ich mich dann aber völlig
anders entschieden, weite Welt statt Familie. Ich habe die DDR über die
grüne Grenze verlassen, danach viele Briefe geschrieben und angerufen,
sofern das möglich war.
Verbunden mit den umstrittenen ausgehandelten Milliardenkrediten an die
DDR eröffneten sich auf einmal wieder ganz andere Reisemöglichkeiten
zwischen West und Ost. Doris beantragte ein Telefon, welches gleich von
mehreren Männern in mehreren Räumen installiert wurde. Und so sahen wir
uns 1986 in der Friedrichstraße mit vielen Zuschauern wieder. Und 1990
haben wir dann noch unter dem Amtsbild von Erich Honecker mit einer, die
Standesbeamte verwirrenden Ost-West Passkonstellation, geheiratet.
Und seit Jahren freuen wir uns nun, wenn uns unsere Tochter hier in
Wandlitz besucht.
Ich möchte mich ganz herzlich für die Offenheit bedanken. Vielen Dank
für das Gespräch und alles Gute für die Familie.
Das Gespräch führte André Schüler
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Letzte Aktualisierung ( Freitag, 31. Mai 2013 )
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