Zerpenschleuse ... (Nr. 65) |
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- Ort der Besinnung und der inneren Ruhe
Wer hierher kommt, um Aktion und Abenteuer zu finden, sucht vergebens. Wer am langen Trödel bei Sonnenschein flaniert und die Seele baumeln
lassen will, kommt auf seine Kosten. Vielleicht fragt
sich der Entspannung Suchende, warum heißt der Finowkanal langer Trödel
und warum war ausgerechnet in der Nähe der Dorfkirche mal eine
Glasbrennerei? Auf einem Rundgang mit der Ortsvorsteherin Nadine
Kieprowski bei bestem Wetter lüftete sich das eine oder andere
Verborgene.
Der Finowkanal wurde im siebzehnten Jahrhundert durch Verordnung von
Kurfürst Joachim Friedrich errichtet und Mitte der zwanziger Jahre des
letzten Jahrhunderts an der Kreuzung zum Oder-Havel-Kanal zugeschüttet.
Damit wurde er zum stehenden Gewässer. Bis dahin gebaute Brücken wurden
abgerissen und durch Dämme ersetzt. Daraufhin gaben die Bewohner ihm den
Namen langer Trödel.
In jüngster Vergangenheit wurden die Schleusen wieder errichtet und
damit die gesamte zirka 40 Kilometer lange Wasserstraße für den
motorlosen Schiffsverkehr umfangreich saniert und aktiviert. Erst im
vergangenen Jahr wurde der komplette Finowkanal wieder funktionstüchtig
eingeweiht. Wasserwanderer wird es freuen. Ausleihstationen für Tret-
und Ruderboote gibt es an der gesamten Strecke. Wer bis zum Ende der
Puschkinstraße wandert, kann sich die neue Schleusenanlage anschauen.
Die Einweihungsfeier liegt immer noch in Planung. Langsam kommt die
Befürchtung auf, dass sie auch dort bleibt.
An der gegenüber gelegenen Uferseite entstehen ein Bootshafen und
dahinter eine Ferienhaussiedlung mit vierzig Einheiten bis zum
Flößergraben. Mehr als zehn Häuser stehen bereits. Für Fußgänger und
Radfahrer verlängert sich allerdings der Weg vom Heim zum Bahnhof um
vier Kilometer, da sie eben an der Schleuse nicht mehr den Finowkanal
überqueren können.
Wer die Liebenwalder Straße entlang wandert, bemerkt die vielen alten Schifferhäuser. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts arbeiteten hier über
fünfzig Schiffer. Mit dem Neubau des größeren Oder-Havel-Kan als Anfang
des zwanzigsten Jahrhundert verlor Zerpenschleuse an Bedeutung und es
begann in den dreißiger Jahren eine schleichende Fluktuation. Zu
Spitzenzeiten lebten hier fast 1.900 Menschen. Handwerk und Gewerbe
sowie die Flößerei entwickelten sich. Heute zählt Zerpenschleuse fast
890 Einwohner. Die Einwohnerzahl hat sich 2015 stabilisiert und es
erblickten in diesem Jahr sieben neue Babys im Ort das Licht der Welt,
so berichtet stolz die Ortsvorsteherin.
Bei Hammerbruch, welches zu Liebenwalde gehört, wurde 1660 am Kanal eine
Pot taschebrennerei gegründet. Etwas weiter östlich wurde 25 Jahre
später, auf dem vom Dreißigjährigen Krieg verwüsteten Gelände, eine
Glashütte errichtet. Um diese Glasbrennerei bildete sich eine Ansiedlung
am Finowkanal. Dies war die Geburt von Zerpenschleuse. Nochmals 45
Jahre später wurde auf dem Gelände der Glashütte ein Gutshof gegründet
mit Schankrecht und Sägewerk. Damals zählte Alt-Zerpenschleuse um die
Glashütte rund 30 Einwohner. Eine Kolonie Berg nördlich der Glashütte
und eine Kolonie Kienitz an der Straße nach Berlin gründeten sich und
wurden mit Spinnerfamilien aus ganz Deutschland besiedelt. Erst 1919
also fast genau vor einhundert Jahren wurden diese Kolonien mit
Alt-Zerpenschleuse (Glashütte) vereinigt. Aus diesem Grund gibt es auch
zwei Friedhöfe dort. Beide liegen am Mittelweg. Nach Auskunft der
Ortsvorsteherin sollen auch beide weiterhin genutzt werden.
Ein echtes Kleinod ist die Dorfkirche. Sie wurde 1849 eingeweiht. Eine
aufwändige Sanierung begann 1992. Wer Zerpenschleuse besucht, muss hier
unbedingt Halt machen und sich das Alt und Neu links und rechts von der
Kirche ansehen. Rechts neben der Kirche befand sich die Dorfkneipe. Hier
wurde in vergangenen Zeiten kräftig und oft gefeiert, weiß die
Ortsvorsteherin zu berichten. Die Alteingesessenen können genug
Anekdoten berichten. Eine neue Gelegenheit bietet das Gasthaus am
Finowkanal links der Kirche.
Etwas weiter biegt die Alte Lindenstraße links ab. Hier findet man in
der Mitte der Straße ein Storchennest, welches jährlich Besuch bekommt.
Gleich daneben sollte man unbedingt den Hof der kleinen Tiere besuchen.
Hier werden vom Aussterben bedrohte Tiere gezüchtet. Neben dem Zwerghuhn
und dem Miniaturpferd trifft man hier auch auf seltene Entensorten und
das Dexter-Rind. Der Hof ist ökologisch zertifiziert.
Beim Rundgang mit Nadine Kieprowski spürt der Besucher den Zusammenhalt
der Anwohner. Man kennt sich. Man grüßt sich. Man tauscht sich kurz aus.
Die Zerpenschleuser möchten ihren Ort infrastrukturell verbessern und
damit angenehmer und attraktiver machen. So sollen die alten
verwahrlosten Umkleidekabinen am Fußballplatz abgerissen und ein
Kinderspielplatz errichtet werden. Damit lockt die gemütliche Ecke mit
Sitzbänken und Tischen zum Grillen und Feiern oder einfach zum Verweilen
und Entspannen. Ein Beach-Volleyballplatz ist auch vorhanden. Bei Regen
oder in der kalten Jahreszeit feiert man dann eben in der modernen
Turnhalle nebenan.
Ein neuer Treffpunkt ist die „Eisschleuse“ in der Puschkinstraße 3. Hier
kann man neben hervorragendem Eis auch Kaffee aus der eigenen Rösterei
genießen. Seit dem 3. März sind die Gäste aus Nah und Fern willkommen.
Das Ambiente wurde ein wenig einem Kaffeehaus angepasst. Von Freitag bis
Sonntag ab 13 Uhr verwöhnt der Betreiber seine Gäste mit kulinarischen
Besonderheiten.
Wolfgang Kirschner
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Letzte Aktualisierung ( Dienstag, 29. März 2016 )
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