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Die Quadratur des Kreises (Nr. 70) |
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Bürgerdiskussion zum Thema Kreisgebietsreform
Als Anfang Dezember 2016 der Innenminister Brandenburgs verkündete, es ginge bei der Kreisgebietsreform nicht mehr um das „ob“ sondern nur noch um das „wie“, kamen bei einigen Teilnehmern des Forums zu diesem
Thema am 29. November im Goldenen Löwen
erhebliche Zweifel auf. Über eine Stunde hatte sich der
Landtagsabgeordnete der SPD Daniel Kurth bemüht, den anwesenden Bürgern
die Sinnhaftigkeit der geplanten Reform schmachhaft zu machen. Das
gelang ihm allerdings nicht so richtig, doch die Aussage seines
Innenministers verkniff er sich. Wie bereits in den Diskussionen davor
auf allen möglichen Ebenen blieben die Befürworter eine ganz
entscheidende Antwort auf die Frage schuldig: Was sind die Vorteile der
geplanten Reform für die Bürger? Stattdessen werden fast
gebetsmühlenartig die Argumente wiedergekäut, die wir schon kannten: Mit
der Reform reagieren wir auf die zukünftigen Herausforderungen, die
demografische Entwicklung mache dies notwendig, es sollen ja keine
Nachteile für den Bürger entstehen, der könne ja ortsnah seine Anliegen
künftig klären. Der Einwand, dass ähnliche Reformen in der Vergangenheit
bei uns als auch aktuell in anderen Bundesländern durchaus nicht zur
Kostenreduzierung beitrugen, wurde gar nicht erst diskutiert.
Die Diskussion drehte sich also vor allem darum, dass es keine
Nachteile geben werde. Welche Vorteile daraus erwachsen sollen oder
welche Zwänge dafür erforderlich sind, war nicht zu erfahren.
Das Argument der demografischen Entwicklung:
Inzwischen zum Totschlagargument mutiert, muss es immer dann dafür
herhalten, wenn irgendetwas im Nebel liegt. Peter Liebehenschel
erwiderte dazu, dass man vor Jahren auch für unsere Orte mit einem
geringen Bevölkerungswachstum argumentierte, um die
Gemeindegebietsreform zu begründen. Allerdings ist das Gegenteil
eingetreten. In vielen Orten unserer Gemeinde hat sich die
Bevölkerungsanzahl verdoppelt, der Bedarf an Wohnungen und demzufolge
nach Kita-Plätzen und Schulen steigt stetig. Offenbar kann man die
demografische Entwicklung eben nicht richtig vorhersehen. Das scheint
mir übrigens bei der Frage der Geburtenzahlen ganz besonders fragwürdig
zu sein. Woher wissen die Politiker, wie sich das Liebesleben der
Deutschen künftig entwickelt? Oder gibt es hier Planvorgaben?
Statt von einem Bevölkerungsschwund in den entfernteren Gebieten des
Landes zu orakeln, so das Argument einer Bürgerin, sollte man eher
darüber nachdenken, wie man gezielt die Menschen dort stärker und
nachhaltiger ansiedeln könne. Die Möglichkeiten dafür seien sicher
begrenzt. Aber wenn man schon den Umzug der Polizeifachschule weg von
Basdorf als notwendig erachtete, warum hat man sie dann nicht in
strukturschwache Regionen verlegt? Das hätte in der Hand der
Landespolitik gelegen. Dabei sei es egal, ob der ehemalige Innenminister
Schönbohm (CDU) hier der Initiator war. Bei solchen Entscheidungen
spiele das Parteibuch eine untergeordnete Rolle. Vielleicht sollten die
Politiker tatsächlich Überlegungen anstellen, wie man die ferneren
Regionen nachhaltig stärken könnte. Da war wohl Friedrich II. seiner
Zeit weit voraus, als er Mitte des 18. Jahrhundert Dörfer gründete und
aus allen möglichen Gegenden Menschen hier ansiedelte. Die kamen
natürlich nicht nur wegen der schönen Landschaft. Sie erhielten für ihre
Ansiedlung jede Menge Vergünstigungen: Steuerermäßigung, Land,
Freistellung vom Militärdienst usw. Das war offenbar gut angelegtes
Geld, denn die, die damals kamen, leben noch heute hier.
Das Argument des Schuldenausgleichs:
Die drei (außer Potsdam) kreisfreien Städte seien alle überschuldet. Das
müsse durch eine „Einkreisung“ (übersetzt: Einbeziehung in die Kreise)
gelöst werden. Über die Ursachen der Überschuldung war nur eine
Bemerkung zu hören: Die sozialen Probleme.
Moment mal. In der Stadt Brandenburg ist seit 2003 Dietlind Tiemann
von der CDU Bürgermeisterin. In einer Umfrage, die Anfang Dezember 2016
veröffentlicht wurde, wird der CDU eine besondere Kompetenz bei
ökonomischen Fragen bescheinigt. Aber auch Brandenburg ist überschuldet.
Offenbar hängt Kompetenz nicht vom Parteibuch ab.
Um finanziell schwachen Gemeinden zu helfen, bedarf es keiner Gebietsreform. Das geht auch ohne.
Interessant wäre an dieser Stelle, wie eigentlich die Uckermärker zu der
geplanten Reform stehen. Sie müssten ja angesichts der zu erwartenden
Finanzhilfen in unbändigen Jubel ausbrechen. Doch auch hier werden
Unterschriften gegen die geplante Reform gesammelt. Mit der Bildung
eines Kreises Barnim-Uckermark würde man ein Gebilde schaffen, das
viermal so groß ist, wie ein Landkreis üblicherweise in Deutschland sein
sollte, um ihn noch sinnvoll händeln zu können.
Dann meldete sich Margitta Mächtig, Landtagsabgeordnete der Linken,
zu Wort. Vielleicht war sie etwas verschnupft, weil sie nicht mit im
Präsidium Platz nehmen durfte, wobei wir den Grund dafür nicht kennen.
Doch demonstrativ mit ihren Genossen in der hintersten Reihe Platz zu
nehmen und von dort aus meist recht einsam laut Beifall zu klatschen,
wenn jemand für die Reformen das Wort ergriff, zeugt nicht gerade von
einer guten Diskussionskultur. Sie führte u.a. an, dass ja mit der
Reform viele Aufgaben an die Gemeinde übertragen würden, es also für die
Bürger dann einfacher wäre, bestimmte Fragen zu klären. Mal abgesehen
davon, dass dazu bislang nur Entwürfe vorliegen, sind bei diesen
verlagerten Aufgaben eine ganze Reihe, die nun wirklich kaum jemanden
aus der Reserve locken können, wie z.B. die Änderung eines Namens. Im
Übrigen durften wir aktuell erleben, wie die größere Verantwortung der
Gemeinden aussieht. Obwohl die Gemeinde Wandlitz den Neubau weiterer
Windräder in Klosterfelde ablehnt, erteilte man in der Landesregierung
die Baugenehmigung. Und obwohl die Gemeinde Wandlitz dem Bau eines
Baumarktes in Basdorf zustimmen wollte, lehnte das die Landesbehörde ab.
Dass durch die Kreisgebietsreform sich daran etwas ändert, darf
bezweifelt werden.
Überhaupt bekam man den Eindruck, als ginge es bei der Veranstaltung
am 29. November eher um einen politischen Richtungsstreit als um eine
ernsthafte Auseinandersetzung über ein Thema, was, wie Daniel Kurth
selbst sagte, weit in die Zukunft gerichtet ist. Dabei ist es durchaus
nicht so, dass alle SPD-Mitglieder in treuer Gefolgschaft den Plänen der
Regierung zustimmten.
Die Änderung von Kreisgrenzen und Verwaltungsstrukturen werden die
Probleme der Menschen nicht lösen. Vielmehr geht es um die Schaffung von
Verdienstmöglichkeiten, den Ausbau der Infrastruktur, Anbindung an das
Umfeld. Die Politiker sollten darüber nachdenken Anreize zu schaffen, um
abgewanderte Bürger wieder hierher zu holen. Das Leben in Brandenburg
ist allemal attraktiv, wenn die ökonomischen Bedingungen stimmen.
Horst Schumann
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